Frankfurter WALDSTADION
Nachdem die Stadt- und Stadionverwaltung erfolgreich durch die Arndts mit „Fleiss, Leistung und Erfolg […] [und] in unglaublicher Zähigkeit“[1] überzeugt worden waren, bekam der BSC Frankfurt schließlich einen eigenen Teil des 42 Hektar großen Landdreiecks[2] vom renommierten Frankfurter Waldstadion zugewiesen. Direkt neben dem Hockeyplatz des TSV Sachsenhausen, dort wo zuvor das Waldtheater und noch früher die Ausläufer der ehemaligen Militärschießstände im Stadtwald Frankfurts lagen[3], rollten dann kurze Zeit später auch schon die Bulldozer, um eine neue Freifläche für die erforderliche Bogendistanz zu schaffen.[4] Die mittlerweile 20 Mitglieder richteten in aufreibender Eigenarbeit das immer noch gänzlich von Wällen und Bäumen umringte Gelände so eifrig her, dass am zweiten Augustsonntag 1960 auf dem neuen, eigenen Platz ein kleines Eröffnungsturnier stattfinden konnte. So klein dieses Turnier auch war, so groß waren die erzielten Leistungen: Der Belgier Rene Boussu schoss einen FITA-Weltrekord, Frau Anne Arndt einen Deutschen Rekord und Dr. Otto Klemm erzielte als erster Deutscher den 1000er FITA-Stern.[5] Und so erlangte das idyllische Waldstadion – die „wohl schönste Wettkampfanlage für das Bogenschießen in Deutschland[6]“ – sofort in der internationalen Bogenszene an Bekanntheit.
“Nur die wenigsten Bogenschützen in der Bundesrepublik haben eine so vorbildliche Anlage wie etwa die Frankfurter im Waldstadion, die, im Wald versteckt, von hohen Wällen umgeben, eine stille Oase für eine stille und individualistische Sportart ist, die Kraft und ein hohes Maß an Konzentration und innerer Ausgeglichenheit verlangt.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1969.[7]
Das Clubhaus
Nachdem sich die Vereinsfamilie nach erfolgter Pressearbeit auf mittlerweile 30 Mitglieder erhöht hatte, gewann der Plan, auf dem Übungsgelände ein Vereinsheim zu errichten sowie Wasser und Licht zu installieren, immer mehr an Dringlichkeit. Durch Spenden aber vor allem wieder durch unermüdliche Eigeninitiative konnte 1962 ein eigenes Clubhaus gebaut werden, das den Mitgliedern einen Ort der Zusammenkunft bot und mit Kamin, Küche und Bar auch fürstlich ausgestattet war.[8] Zu guter Letzt wurde der Bogensportplatz 1982 durch einen Unterstand ergänzt, der es ermöglichte, auch bei schlechter Witterungslage, insbesondere im Winter, das Training fortzusetzen.
“Die Anforderungen sind hart. Auf den letzten Weltmeisterschaften verloren Werner Arndt zehn Pfund und seine Frau Anne zwanzig Pfund an Gewicht. Und doch lehnen sie Askese ab. Im Hinterzimmer des selbsterbauten Clubhauses lädt eine kleine Bar zum Verweilen ein. Dolce FITA – saure FITA! Darin liegt für die Bogenschützen kein Gegensatz.“
Frankfurter Rundschau, 1965.[9]
Aufbruch zu neuen Ufern
Der Bogensport-Club Frankfurt hatte für 42 Jahre seine Heimat in der Bogensportanlage im Frankfurter Waldstadion. In all diesen Jahren wurde hier trainiert, es wurde sich sportlich gemessen und auch gemeinschaftlich gefeiert. Dabei wurde die Anlage die ganze Zeit durch die Vereinsmitglieder, abgesehen einiger größerer Arbeiten, in Eigenarbeit ausgebaut und instandgehalten. Ohne diese hohe Eigenleistung und die im Laufe der Jahre entstandenen Gebäude und Nebengebäude wäre das Gelände bei weitem nicht so nutzbar gewesen.[10]
Leider musste der BSC Frankfurt den Bogensportplatz aufgrund des Neubaus der Großarena für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und wegen der Expansion der dortigen Golfanlage im Jahr 2002 aufgeben.[11]
ENDNOTEN
[1] Brief von Tassilo v. Winterfeldt an den BSC Frankfurt vom 13.08.1983.
[2] Bauer, Thomas: Frankfurter Waldstadion. 75 Jahre Sportgeschichte. 1925–2000, herausgegeben von der Stadion GmbH, Frankfurt am Main: Nest Verlag, 2000, S. 66.
[3] In verschiedenen vereinsinternen Dokumenten etablierte sich die Formulierung „Dort, wo sich […] das Übungsgelände des Bogensport-Clubs Frankfurt befindet, befand sich nach alten Karten eine Waldbühne.“ Nach Sichtung mehrerer historischer Karten und Prüfung der Geschichte des Areals scheint es sich hierbei um eine sprachliche Verschleifung/Verfälschung zu handeln, da es an diesem Ort zu keiner Zeit eine Waldbühne gegeben zu haben scheint. Vielmehr ist mit Waldbühne wahrscheinlich das am 1. Juli 1928 in Betrieb genommene Waldtheater gemeint, welches aber seit dem Kriegsende bzw. seit der Rückgabe durch die US-Armee 1948 nicht mehr genutzt und um 1960 durch einen Hockeyplatz ersetzt wurde. An dieser Stelle muss Herr J.-H. Jensen gedankt werden, welcher durch seine Sach- und Ortskenntnis beim Aufspüren der Karten sowie bei der Klarstellung dieser Detailfrage tatkräftig zur Hilfe stand.
Bauer, Thomas: Frankfurter Waldstadion. 75 Jahre Sportgeschichte. 1925–2000, herausgegeben von der Stadion GmbH, Frankfurt am Main: Nest Verlag, 2000, S. 12, 15–16, 56, 109, 199; https://tsvsachsenhausen.de/hockey/, letzter: Zugriff: 16.03.2023;
Kartenwerke/Luftaufnahmen: Historische Topografische Karten (Open Data). Georeferenzierung und Bereitstellung: Hessisches Institut für Landesgeschichte (HIL), https://www.lagis-hessen.de/maps/topografische-karten/ — Blattnummer 5917, Koordinaten: 8.645569042104926, 50.07102604704592, letzter Zugriff: 20.12.2022; Luftaufnahme zum Ausbauzustand des Waldstadion (1930), Institut für Stadtgeschichte, Signatur: ISG FFM S3 Nr. 6567; Lageplan aller Sportstätten mit nachgetragener Änderung des Stadiongrundrisses (1926), Institut für Stadtgeschichte, Signatur: ISG FFM S8‑2 Nr. 760; Befliegung von Frankfurt am Main im Jahre 1926/27, (Luftbilder-Senkrechtaufnahmen; Befliegung 1927–1945), Institut für Stadtgeschichte, Signatur: ISG FFM S8‑8.
[4] Frankfurt Hochburg der Bogenschützen. Neue Wettkampfanlage im Stadion / Anne Arndt hält deutschen Rekord, in: FAZ vom 30.07.1960, S. 52.
[5] Festrede zum 25-jährigen Jubiläum vom 19.08.1983, S. 2; Mit dem Bogen zweimal auf Gold zielen. Eine olympische Sportart von historischem Hintergrund / Starker Leistungs- und Mitglieder-Aufschwung, in: FAZ vom 16.08.1969, S. 10; Ergebnisliste
[6] Frankfurt Hochburg der Bogenschützen. Neue Wettkampfanlage im Stadion / Anne Arndt hält deutschen Rekord, in: FAZ vom 30.07.1960, S. 52.
[7] Mit dem Bogen zweimal auf Gold zielen. Eine olympische Sportart von historischem Hintergrund / Starker Leistungs- und Mitglieder-Aufschwung, in: FAZ vom 16.08.1969, S. 10.
[8] Die Erfolge haben sich nur so ergeben. Frankfurt hat die besten deutschen Bogenschützen / Freiwillige ohne großen Ehrgeiz / Wie in eine andere Welt, in: FAZ vom 30.09.1966, S. 37.
[9] „So harmlos war das damals auch nicht“. Mit dem Pfeil, dem Bogen / Paradiesischer Frieden bei den Bogenschützen, in: Frankfurter Rundschau vom 06.06.1965.
[10] Das Bogensportgelände bot Trainingsmöglichkeiten auf insgesamt 25 Scheiben. Dazu zählten neben den seit 1960 bestehenden 8 Ständen bis 90 Meter, 5 weitere Stände bis 30 Meter sowie 5 Ständen auf 25 Meter aus dem geschlossenen Unterstand. Außerdem wurden für die Disziplin Feldbogen weitere 7 Feldscheiben integriert. Durch geschickte Planung war es möglich, gleichzeitig und ohne gegenseitige Gefährdung oder Behinderung auf allen 25 Scheiben zu trainieren.
[11] Hessens ältester Bogensportclub wird 50, in: FNP, 05.08.2008; Stadion-Golfanlage wird umgebaut. Neue Ersatz-Löcher aber Diskussionen um die Driving-Range, in: unbekannte Quelle vom 23.05.2002, S. 7.