Die “FRANKFURTER AMAZONEN”
Auf die Leistungen der Damen unter den vielen männlichen Mitgliedern des Bogensport-Clubs Frankfurt muss gesondert eingegangen werden. Denn so ungern sie anfangs beim Bogensport mitmachten, so schnell wurden die Frauen des Vereins zu dessen sportlichen Leistungsträgern. Es war auch keine Übertreibung, dass die Presse zu jener Zeit von den Amazonen sprach, wenn über den Frankfurter Bogenschützinnen berichtet wurde.[1] Bereits 1959 stellten Anne Arndt, Benigna Klemm und Gertrud Luksch mit 1958 Ringen bei der 2. Deutschen Meisterschaft in Stuttgart die Meistermannschaft der Damen.[2] Ein Jahr später konnte Anne Arndt auch in der Einzelwertung mit 931 Ringen bei der 3. Deutschen Meisterschaft in Köln den 1. Platz erringen.[3]
Die Goldenen Jahre
“Kein Präsident dieser Welt kann sich mehr auf seine Leute verlassen als Werner Arndt. Nicht nur, daß zu seinem Club drei der rund dreißig FITA-Stern-Träger dieser Welt zählen, nicht nur, daß vier Damen und ein Herr bereits mit einem Bein in Schweden sind, nicht nur, daß jedes Mitglied einen eigenen Schlüssel zum Clubhaus besitzt, daß alle zusammen halten [sic!] wie Pech und Schwefel; sie reden sich gegenseitig immer noch per Sie an. Es ist schon ein toller Verein.“
Frankfurter Rundschau, 1965.[9]
In den 1960er Jahren dominierten die Damen unter Führung von Anne Arndt, Monika Kolb-Ikier, Gertrud Luksch und Margarete Maul beständig die neue deutsche Bogensportwelt. Von 1959 bis 1968 wurden die Frankfurter Frauen so insgesamt 15-mal Deutsche Meister in der FITA-Einzel- sowie in der Mannschaftswertung und erzielten zudem zahlreiche Rekorde.[4] Margarete Maul reiste 1963 nach Helsinki zur 22. Weltmeisterschaft und belegte mit 1715 Ringen den 29. Platz.[5] Monika Kolb-Ikier gelang es im selben Jahr in Mailand als erste deutsche Dame den 1000er FITA-Stern zu erringen[6] und 1964 die internationale Schweizer Meisterschaft zu gewinnen.[7] 1964 konnten Arndt, Maul und Kolb-Ikier zudem beim ersten offiziellen Länderkampf der Bundesrepublik in Köln mit dem Rekordergebnis von 2687 Ringen die damals stärkste europäische Bogensportnation Belgien schlagen.[8]
1965 wurden Monika Kolb-Ikier und Margarete Maul ins schwedische Västeras zur 23. Weltmeisterschaft berufen.[10] Im Jahr 1965/66 waren zudem alle Deutschen Rekorden der Damen über sämtliche FITA-Distanzen in den Händen des BSC-Frankfurt.[11]
“Seit acht Jahren gehören nun die Frankfurter Amazonen zur bundesdeutschen Elite der Bogenschützen, sammeln sie die deutschen Meisterschaften in der Einzel- und Mannschaftswertung und halten sie alle Rekorde auf allen Distanzen.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1968.[12]
“[Die Damen] waren in Frankfurt fast ein Jahrzehnt lang das Aushängeschild im bundesdeutschen Bogensport. Die Frankfurter Amazonen sammelten Einzel- und Mannschaftstitel wie andere Frauen Hüte.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1970.[16]
1967 qualifizierten sich sowohl Monika Kolb-Ikier als auch Gertrud Luksch für die Nationalmannschaft und reisten zur 24. Weltmeisterschaft in das niederländische Amersfoort.[13] Auch der erste 1100er FITA-Stern, welcher mit 1157 Ringen zugleich einen Europarekord darstellte, wurde 1968 von einem Mitglied des Bogensport-Club Frankfurt geschossen[14]; nämlich von Maria Urban, welche im Olympiajahr 1976 für den BC Babenhausen die Bundesrepublik Deutschland bei den Olympischen Sommerspielen in Montreal vertrat und dort den 8. Platz errang.[15]
“[…] Frankfurt ist seit einem Jahrzehnt Hochburg der Bogenschützen. Die Amazonen haben vor allem in Frankfurt ein scharfes Auge und eine sichere Hand. Die Erfolgskette begann mit der Ehefrau des Vorsitzenden, der Frankfurter Lehrerin Anne Arndt, die drei Jahre nach der Gründung des Klubs, 1960, die deutsche Nationalmannschaft führte, Meisterin war und vier nationale Rekorde hielt, und setzte sich bis in die jüngste Vergangenheit fast kontinuierlich fort. Mit Maria Urban hat der Klub heute die deutsche Doppelmeisterin und Rekordhalterin, die bereits olympiaverdächtig ist.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1969.[17]
Die Zweite Generation
Nach 1968 gab es jedoch einen merklichen Leistungsabfall, sodass sogar die hessische Vorrangstellung der Frankfurterinnen verloren ging, da sich die „Meisterinnen von gestern […] meist aus Altersgründen vom Leistungssport zurückzogen“[18] und der Nachwuchs in der Leistungsbreite zunächst fehlte.[19] Erst die nächste Generation konnte unter Trainer Paul G. Wilhelm[20] mit Renate Kalthoff, Monika Waitz und Ursula Freise 1975 nochmals die oberste Stufe des Siegertreppchens bei den 18. Deutschen Meisterschaften in Mannheim besteigen.[21]
Am 23. Und 24. Juli 1977 konnte Monika Waitz im Bundeskader beim Länderkampf Deutschland — England mit 4639 Ringen die Damenmannschafts- und mit 13852 Ringen die Gesamtwertung gewinnen.[22]
Die Letzten Amazonen
1981 wurde auch Christa Engelhardt in den Leistungskader des Deutschen Schützenbunds berufen und zur 31. Weltmeisterschaft nach Punta Ala in Italien entsandt, wo sie mit 2341 Ringen den 46. Platz belegte.[23] Im Jahr 1982 bildete sich schließlich für eine Saison mit Christa Engelhardt, Monika Jerschensky von vormals Aarfalke-Wehen und die zu ihrem alten Verein zurückkehrende Maria Urban das hessische Dreamteam der damaligen Zeit.[24] Obwohl das Trio in jenem Jahr zu den absoluten Top-Favoriten der Damenklasse zählte, konnten sie sich allerdings nicht gegen die Konkurrenz des BSC Rottal Eggenfelden durchsetzen und belegten in der Mannschaftswertung mit 3222 Ringen bei den 7. Deutschen Hallenmeisterschaften in Hamburg und mit 3521 Ringen bei den 25. Deutschen Meisterschaften in Feucht jeweils lediglich den zweiten Platz.[25]
“Die Damenmannschaft vom BSC Frankfurt ist in diesem Jahr verstärkt mit der Bogenschützin Monika Jerschensky, und somit bilden die drei besten Damen aus Hessen eine Mannschaft. Trotz guter Gleichmäßigkeit aller drei Damen gelang ihnen beim ersten gemeinsamen Start auf der “Deutschen” nicht der Sieg.“
Hessische Schützenzeitung, 1982.[26]
Und die Herren?
Auch wenn es den männlichen Mitgliedern nicht gelang, zu den Damen aufzuschließen, können doch einige Erfolge aufgezählt werden: 1959 und 1960 belegte die Herrenmannschaft des BSC Frankfurt jeweils den 2. Platz bei den Deutschen Meisterschaften.[27] 1965 konnte die Altherrenmannschaft bestehend aus Heinrich Maul, Werner Arndt und Josef Wollnik mit 2249 Ringen bei der 8. Deutschen Meisterschaft in Wolfsburg ebenfalls den 2. Platz erkämpfen. [28] 1977 wurde Paul G. Wilhelm mit 1092 Ringen auch Zweiter der Alterklasse bei der 2. Deutschen Hallenmeisterschaft in Hannover.[29] Und Claus Moxter konnte 1979 sowohl den 3. Platz bei der 23. Deutschen Meisterschaft in Zeven als auch den 1200er FITA-Stern beim FITA-Sternturnier Silberner Becher von Köln erstreiten.[30]
ENDNOTEN
[1] Frankfurter Amazonen in Form, in: FAZ vom 04.06.1965, S. 38; Zwei Titel für die Amazonen, in: FAZ vom 13.09.1965, S. 16; Frankfurter Leistungszentrum für Bogenschützen, Olympiavorbereitungen im Waldstadion / Halle mit zwei Bahnen geplant / Erfolgreiche Amazonen, in: FAZ vom 15.05.1969, S. 47.
[2] Frankfurt Hochburg der Bogenschützen. Neue Wettkampfanlage im Stadion / Anne Arndt hält deutschen Rekord, in: FAZ vom 30.07.1960, S. 52; Ergebnisliste 2. DM 1959, DSB.
[3] Ergebnisliste 3. DM 1960, DSB.
[4] Ergebnislisten DM 1959–1968, DSB.
[5] Ergebnisliste 22. Weltmeisterschaft.
[6]Klemm, Otto: Unser Club, in: Begleitheft zum 1. Internationalen FITA-Turnier, 1964, S.15–17, S.17; Ein Kurs für Anfänger im Bogenschießen, in: FAZ vom 17.03.1984, S. 48.
[7] Zwei Titel sind zu verteidigen, in: FAZ vom 11.09.1964, S. 35; Zwei Meisterschaften für Frankfurt, in: FAZ vom 14.09.1964, S. 22.
[8] Sport in Kürze: Drei Damen des Frankfurter Bogensportklubs, in: FAZ vom 22.09.1964, S. 10.
[9] „So harmlos war das damals auch nicht“. Mit dem Pfeil, dem Bogen / Paradiesischer Frieden bei den Bogenschützen, in: Frankfurter Rundschau vom 06.06.1965.
[10] Monika Kolb-Ikier erreichte mit 2028 Ringen den 18. und Margarete Maul mit 1594 Ringen den 48. Platz; Ergebnisliste 23. Weltmeisterschaft: https://extranet.worldarchery.sport/documents/index.php/Events/World_Championships/Target/Results_Archive/RESULTS_WAC1965.pdf, letzter Zugriff 21.03.2023.
[11] Zwei Titel sind zu verteidigen, in: FAZ vom 16.09.1966; Ergebnisliste 9. DM 1966, DSB.
[12] Frankfurter Gesichter: Werner Arndt, in: FAZ vom 12.10.1968, S. 82.
[13] Monika Kolb-Ikier belegte mit 2085 Ringen wieder den 18. und Gertrud Luksch mit 1787 Ringen den 49. Platz; Ergebnisliste 24. Weltmeisterschaft.
[14] Clubmitteilung zum Clubfest am 12./13. Oktober 1968 vom unbekanntes Datum; Frankfurter Leistungszentrum für Bogenschützen, Olympiavorbereitungen im Waldstadion / Halle mit zwei Bahnen geplant / Erfolgreiche Amazonen, in: FAZ vom 15.05.1969, S. 47.
[15] Die hessische Olympiabilanz: Viele Funktionäre und wenig Medaillen, in: FAZ vom 02.08.1976, S. 24; Maria Urban: Einzige Frau unter schießfreudigen Männern, in FAZ vom 07.07.1976, S. 31; Meister mit dem Bogen beim Frankfurter Turnier, in: FAZ vom 24.06.1978, S. 51.
[16] Treffsichere Amazonen fehlen. Leistungsanstieg bei den männlichen Bogenschützen, in: FAZ vom 16.07.1970, S. 27.
[17] Frankfurter Leistungszentrum für Bogenschützen, Olympiavorbereitungen im Waldstadion / Halle mit zwei Bahnen geplant / Erfolgreiche Amazonen, in: FAZ vom 15.05.1969, S. 47.
[18] Treffsichere Amazonen fehlen. Leistungsanstieg bei den männlichen Bogenschützen, in: FAZ vom 16.07.1970, S. 27.
[19] Treffsichere Amazonen fehlen. Leistungsanstieg bei den männlichen Bogenschützen, in: FAZ vom 16.07.1970, S. 27; Im Urlaub vom Titelgewinn erfahren. Ein Österreicher wird überraschend hessischer Meister im Bogenschießen, in: FAZ vom 09.03.1971, S. 26.
[20] Zum Andenken an Paul G. Wilhelm. 1. Paul G. Wilhelm-Gedächtnisturnier des BSC Frankfurt, in: Zeitschrift für Bogenschützen – „Sehnengebrumm“ 1/89, S.12–13.
[21] Deutscher Damenmeister: Der BSC Frankfurt, in: Quelle unbekannt, 1975; Der Aufschwung ist spürbar. Bogenschützen spielen trotz Hallenproblemen wieder Rolle, in: Quelle unbekannt, 1975.
[22] In der Einzelwertung wurde Monika Waitz mit 1159 Ringen Vierte. Die Damenmannschaft bestand neben Waitz aus Maria Urban, Marion Oltmann, Elfriede Fürst, Martina Kasokat und Manuela Dachner; Länderkampf Deutschland – England mit deutschem Rekord, in: Quelle unbekannt, 1977, S. 40–41.
[23] Christa überspannt den Bogen nie. Und jetzt zur WM nach Italien, in: BZ vom 27.05.1981; Ergebnisliste 31. Weltmeisterschaft.
[24] Erfolg mit Pfeil und Bogen programmiert. Christa Engelhardt, Monika Jerschensky und Maria Urban jetzt gemeinsam, in: Quelle unbekannt, 1982; Erfolgstrio für ein Jahr, in: Quelle unbekannt, 1982.
[25] Bogenschießen, in: Frankfurter Rundschau vom 15.03.1982; Ergebnislisten 25. DM 1982 und 7. DM Halle 1982, DSB.
[26] Ein Titel, einige gute Plätze und ein wenig Pech, in: Hessische Schützenzeitung 7/82, S. 5.
[27] Bei der 2. Deutschen Meisterschaft in Stuttgart bestand die Herrenmannschaft aus Werner Arndt, Dr. Otto Klemm sowie G. Sigmund. Bei der 3. Deutschen Meisterschaft in Köln-Müngersdorf traten Manfred Weidner, Dr. Otto Klemm sowie Franz Bahl an und schoßen 2577 Ringe; Ergebnisliste 2. DM 1959, DSB, Ergebnisliste 3. DM 1960 DSB; Frankfurt Hochburg der Bogenschützen, in: FAZ vom 30.07.1960.
[28] Ergebnisliste 8. DM 1965, DSB.
[29] Ergebnisliste 2. DM Halle 1977, DSB.
[30] Bei der 23. Deutschen Meisterschaft in Zeven schoß Claus Moxter 1191 Ringe und belegte mit dem Ergebnis den 3. Platz in der Klasse “Junioren männlich”. In Köln erzielte Claus Moxter eine Gesamtringanzahl von 1202. Der 1200er FITA-Stern wurde ihm 1980 bei den Deutsche Meisterschaften verliehen; Ergebnisliste 23. DM 1979, DSB; Ergebnisliste Sternturnier Silberner Becher von Köln 1979.